IMV-Newsletter Oktober 2019
Liebe Interessierte,
in Israel fanden am 17. September erneut Wahlen statt, nachdem die Regierungsbildung nach denen im Frühjahr 2019 gescheitert war.
Die Berichterstattung kapriziert sich, wie bei vielen anderen Ländern auch, gerne auf einen Zweikampf – im konkreten Fall Netanjahu contra Gantz – und überblendet viele andere Stimmen und Möglichkeiten.
vgl.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/was-man-ueber-die-parlamentswahl-in-israel-wissen-muss-100.html
Nicht nur Palästinenser sind wahlmüde, auch viele Israelis sehen ebenfalls kaum Veränderungspotential – zum Beispiel mit Blick auf die schwierige soziale Lage. Trotzdem war die Wahlbeteiligung mit 69,4 Prozent höher als im April.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-plus/videos/israel-altersarmut-rente-100.html
https://www.arte.tv/de/videos/030273-708-A/arte-reportage
Auf die Bedeutung des Wahlverhaltens orthodoxer Juden weist Igal Avidan in diesem Beitrag hin – bereits diese stellen keine homogene Gruppe dar.
Auffällig ist die Schreibweise von der „Regierung in Jerusalem“, so als wäre das nicht völkerrechtlich umstritten – auch die taz trägt den Sprachgebrauch von Jerusalem als Hauptstadt Israels mit – nach internationalem Recht und mit Blick auf die zumindest offiziell noch zählenden Oslo-Friedensverträge eine Positionierung:
https://taz.de/Israel-vor-der-Wahl/!5624085.
Die Situation der Medien in Israel ist eine spezifische, wo das Militär ganz offiziell Beiträge freigibt oder auch nicht.
https://www.jpost.com/International/IDF-Military-Censor-banned-nearly-300-articles-last-year-562318
https://www.bbc.com/news/world-middle-east-14629611
Dem Medienprofi Netanjahu wird ein Film gewidmet: King Bibi https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/fingeruebungen-des-koenigs. Über seinen Lehrmeister, Arthur Finkelstein, gab es zu Beginn des Jahres einen Beitrag, der auch die PR-Strategie des Negative Campaigning ausleuchtet: https://desktop.12app.ch/articles/15982301.
In dieser Analyse macht die Interviewte eine interessante Beobachtung zur Fokussierung der israelischen Medien auf Netanjahu: „This is actually a good sign for Netanjahu because as long as the discourse is Netanjahu yes or no – let it be prime minister yes or no, corrupt yes or no, etc. he has the greatest [inaudible] of influencing the discourse hence achieving greater ccontrol over it.“
Auf der Seite der Haaretz findet Ihr die endgültigen Wahlergebnisse, wobei man sich interaktiv per Mausklick seine eigene Regierung basteln kann.
Insgesamt hat die Knesset 120 Sitze, für eine Mehrheit braucht es also mindestens 61 Mandate.
Eine Liste aller Abgeordneten findet ihr hier.
Das Bündnis „Blau-Weiß“ unter Gantz‘ Führung umfasst die „Jesch Atid“, „Chosen LeJisra’el“ und „Telem“ und kam auf 33 Sitze, die Likud auf 32.
Aber wen gibt es eigentlich noch?
Die „Vereinte Liste“ wurde mit 13 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament. Sie ist ein Zusammenschluss der Parteien, „Balad“, „Hadash“, „Ta‘al“ und der „Vereinigten arabischen Liste“.
Daneben gibt es noch die ultrarechte Partei „Israel Beitenu“ von Avigdor Liebermann, ehemaliger Außen und- Verteidigungsminister, die in der Wahl auf 8 Sitze in der Knesset kam. Die „Vereinigtes Thora-Judentum“-Partei kam auf 7 Sitze, ebenso die ultrarechte Allianz „Jamina“. Die ultraorthodoxe „Shas“ kam auf 9 Sitze.
Die vereinte Liste „Labor-Gesher“ der israelischen Arbeiterpartei „haAvoda“ und der „Gesher“-Partei, die sich vor allem auf soziale Probleme fokussiert, kam auf 6 Sitze.
Die „Demokratische Union“ ist ebenfalls ein Zusammenschluss. Hier sind die „Meretz“, die demokratische Partei unter dem ehemaligen Premier Barak und die Grünen gemeinsam angetreten. Sie konnten 5 Sitze erlangen.
Die rechtsextreme „Ozma Jehudit“ (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel.
Mittlerweile wurde Netanjahu von Präsident Rivlin mit der Regierungsbildung beauftragt, wobei derzeit eine Einheitsregierung diskutiert wird. Die Verhandlungen dürften allerdings schwierig werden, so erteilte Gantz Netanjahu bereits eine Absage.
https://www.jungewelt.de/artikel/363746.regierungsbildung-machtkampf-in-israel.html
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