Dunja Mijatović, Kommissarin für Menschenrechte des Straßburger Europarats, besuchte Ende November 2023 Deutschland. In ihrem Bericht stellte sie fest, „dass der hohe Grad an Armut und sozialer Ausgrenzung in Deutschland sich unverhältnismäßig zum Wohlstand des Landes verhalte. Beständige Narrative im politischen Diskurs und in den Medien, dass Menschen aufgrund von Trägheit oder Nachlässigkeit von Sozialhilfe abhängig werden und nicht aufgrund struktureller und generationenübergreifender Benachteiligung und Ausgrenzung, verhinderten weiterhin einen wirksamen Zugang zu sozialen Rechten.“ Sie moniert, dass die Bundesrepublik Deutschland die revidierte Fassung der Europäischen Sozialcharta von 1999, die der Bundestag aber erst 2021 in Kraft setzte, nicht vollständig akzeptiere. Deutschland weigere sich, als „einer von nur vier Vertragsstaaten“ die Artikel 30 (Recht auf Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung) sowie Artikel 31 (Recht auf Wohnen) umzusetzen. Mijatović beobachtete die mangelhafte Bekämpfung der Kinderarmut, getrennte Strukturen wie Behindertenwerkstätten und Förderschulen für Menschen mit Behinderungen, die eine Inklusion verhindern, mangelnden Wohnraum, Obdachlosigkeit und Zwangsräumungen. 2022 habe der Anteil der Bevölkerung in Deutschland, der von Armut betroffen ist, mit knapp 21 Prozent ein Rekordhoch erreicht. Sie begrüßt die leichten Verbesserungen, die mit dem sogenannten „Bürgergeld“ eingeführt wurden, hält sie aber für nicht hinreichend, weil der monatliche Betrag weiterhin deutlich unter dem liegt, was Fachleute für erforderlich halten. Ein Bürgergeld-Empfänger soll mit 5 Euro pro Tag für Nahrungsmittel zurechtkommen, dessen Kinder erhalten noch weniger. Solche Zustände rechtfertige „das beständige Narrativ in Teilen des politischen Spektrums in Deutschland“, nach dem ein Lohnabstandsgebot zwischen Mindestlohn und Bürgergeld bestehen müsse, um Arbeitsanreize zu schaffen. Diese Argumentation ignoriert, dass auch der deutsche Mindestlohn nicht vor Armut schützt, also ebenfalls zu niedrig angesetzt ist. Die Kommissarin erfuhr von Geringverdienern und Erwerbslosen, wie Stigmatisierung und Schamgefühle ihren Alltag prägen. Die Hälfte aller Anspruchsberechtigten verzichteten aus „Angst vor Feindseligkeit und Diskriminierung“ darauf, Sozialleistungen zu beantragen.
Hier die Pressemitteilung zur Kritik des Instituts für Menschenrechte