Scham als Anknüpfungspunkt: Armut tötet!

Scham als Anknüpfungspunkt: Armut tötet!

Die Diskriminierungen und Anfeindungen in einer sog. Leistungsgesellschaft belasten die Psyche der Ausgegrenzten, die als sozial benachteiligte Behinderte und Migranten, Geringverdiener, Erwerbslose, Bettler, Obdachlose die selbstgerechten, teils menschenverachtenden Vorhaltungen der Erfolgreicheren ertragen müssen (vgl. Infoportal „Armut tötet“). Stefan Selke bereiste die Tafeln und Suppenküchen in Deutschland und sprach mit jenen, die solche Angebote nutzen. Als Ergebnis schrieb er den Reportageband „Schamland“, denn Scham ist das vorherrschende Empfinden der Ausgegrenzten, die sich durch das Schlangestehen vor der Tafel öffentlich als Hilfsbedürftige zu erkennen geben.[1] Der Sozialwissenschaftler zitiert seine Kollegin Marlis Winkler: „Scham isoliert und macht einsam. Scham ruiniert das Selbstbewusstsein und die anderen können es sehen.“[2] Scham gehört zum Kalkül eines disziplinierenden Sozialstaats: Oftmals verzichten die Betroffenen, staatliche Unterstützung zu beantragen, besonders die Agenda 2010, die sogenannten Hartz-Reformen hatten diesen Effekt. Der sogenannte „Kunde“ in sogenannten „Jobagenturen“ wird mit dem sozialdemokratischen Propagandaslogan „Fördern und Fordern“ unter Druck gesetzt. Leistungskürzungen und Sperrzeiten signalisieren dem angeblichen Kunden, dass er in den Räumen der Sozialbehörde gewiss nicht König ist. Selke sieht in solchen staatlichen Maßnahmen eine „statusreproduzierende Funktion“: „Durch Beschämungsmechanismen sichern sich die Mächtigen ihren angestammten Platz innerhalb der Gesellschaft. Durch Scham grenzen sich die Ohnmächtigen selbst immer weiter aus.“[3]


[1] Selke, Stefan (2013): Schamland: die Armut mitten unter uns. Berlin: Econ.

[2] zit. nach ebd., S. 42.

[3] ebd., S. 45.

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