Liebe Interessierte,
Julian Assange ist in Australien und dank eines Deals mit der US-Justiz außer Gefahr, solange er sich an die Abmachungen des Deals hält (s.u.) und wobei ihn auch weiterhin Öffentlichkeit schützen dürfte – erinnert man sich an das CIA-Komplott zu seiner Ermordung: https://www.telepolis.de/features/Der-CIA-Mordplan-gegen-Assange-Mike-Pompeo-und-das-Recht-der-Maechtigen-9781002.html?seite=all. Gezeichnet von der Haft und auf eigene Kosten konnte er mittels Charterflug auf einem US-Territorium im Pazifik vor Gericht auf „schuldig“ in einem Punkt seiner üppigen Anklage plädieren, um verurteilt und gleichzeitig freigelassen zu werden, weil seine Haftzeit in London als Abgeltung der Strafe gewertet wird. Ein Deal, den der Publizist von Geheimdokumenten und Kriegsverbrechen zu seiner Rettung eingehen musste.
Der Preis für die Pressefreiheit wird in dem Dokument deutlich, das diesen Deal besiegelt, und ist ein Auftrag an die Medien weltweit: https://www.crikey.com.au/2024/06/25/julian-assange-free-plea-deal-court-documents.
https://www.truthdig.com/articles/until-julian-assange-is-pardoned-press-freedom-remains-at-risk
In der Pressekonferenz nach seiner Ankunft in Australien kommen interessante Details zu Tage und Stella Assange betont, dass ihrem Mann nun bestimmte Anfragen etc. nicht mehr erlaubt seien, allen anderen schon… – eine Aufforderung, dass nun andere im Sinne der Pressefreiheit weiterkämpfen müssen: https://www.youtube.com/watch?v=wS-EH-Kld4Q.
Die Bewertung seiner Freilassung und auch der Rolle von Assange bei Wikileaks fällt in deutschsprachigen Medien ambivalent aus. Erneut werden längst widerlegte Mythen kolportiert, etwa die Mär von der Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch die Veröffentlichung von Geheimdokumenten, die nachweislich nicht er, sondern zwei Kollegen vom britischen Guardian begangen haben, die dafür nie kriminalisiert wurden. Dies wurde vor Gericht in London geklärt und der ehemalige UNO-Beauftragte Nils Melzer hielt es detailliert in seinem sehr lesenswerten Buch „Der Fall Julian Assange“ und im ausführlichen Interview mit Tilo Jung fest: https://www.youtube.com/watch?v=fjWA6i9nbKk.
Man mag es auf den Fluch des Archivs schieben, aus dem Journalisten immer wieder FakeNews aus der Vergangenheit abschreiben, aber verstärkt wird das Phänomen sicher durch fehlende Basisrecherche und den wiederholten Lügen der US-Ankläger, denn WIEDERHOLEN ist ÜBERZEUGEN; mit der Wahrheitsprüfung tun wir uns alle hingegen schwer. Nun, im konkreten Fall sehen unsere Medien insgesamt auch nicht so gut aus – wie auch ein paar andere öffentlichkeitsrelevante Personen – Wirkung gezeigt haben der Einsatz prominenter Whistleblower, wie Daniel Ellsberg, diverse Politiker, wozu zuletzt vor allem australische Verantwortliche in den USA Druck aufbauten, die vielen Mahnwachen weltweit, der Einsatz seiner Familie, der u.a. seinen Vater gänzlich ruiniert hat, und einige Journalisten, die die Brisanz der Verfolgung für ihren Berufsstand erkannt haben; denn im Grunde betrifft Assanges publizistische Tätigkeit ihre genuine Aufgabe als Vierte Gewalt, die Staatsversagen und Staatsverbrechen aufzudecken hat, neben anderen Fällen von Machtmissbrauch. Insofern bleibt der Fall Assange virulent und in dem Kontext ist auch sein Begehren auf Begnadigung zu verstehen, auch wenn wir ihm jetzt erst einmal vor allem eines wünschen: gute Erholung!
Retrospektiv lässt sich hier nochmal einiges nachvollziehen:
Prospektiv gilt es auch weiterhin die Familie Assange zu unterstützen, wer irgendwie kann. Es gibt eine Sammlung auf Crowdfunder-UK. In Berlin wie auch in anderen Städten finden an seinem Geburtstag am 3. Juli Feiern statt – organisiert von den Tapferen, die über Jahre die Mahnwachen für seine Freilassung aufrecht erhalten haben. Eine bundesweite Übersicht findet sich hier mit einigen weiteren wichtigen Infos und Links: https://freeassange.eu/#aktionsuebersicht.
Heute machen wir eine Ausnahme und inkludieren ein zweites Thema in den Newsletter, denn heute ist ein trauriger Jahrestag:
In memoriam Marwa el-Sherbiny
Langjährige Abonnenten unseres Newsletters wissen um die besondere Verbindung zum Mord an Marwa el-Sherbiny in Dresden am 1.7.2009. Einmal abgesehen davon, dass Sabine Schiffer wegen Interviews zum Fall vor Gericht stand (https://medienverantwortung.de/der-prozess), bleiben die Forderungen nach Aufklärung bestehen – auch im Sinne der Familie, die sich enttäuscht vom Unwillen in Deutschland abgewandt hat, die Gedenkrituale in Dresden ablehnt und inzwischen auch wünscht, dass Marwas Foto nicht mehr verbreitet wird. Hier die Zusammenfassung der Ereignisse und Versäumnisse in Form eines Vortragsmanuskripts von 2011: https://www.medienverantwortung.de/wp-content/uploads/2009/07/20110715_IMV-Schiffer_InMemoriam-MarwaElSherbiny.pdf.
IMV News
Auf unserer Website oben rechts wird nun immer das aktuellste Angebot, das besonders viel Aufmerksamkeit verdient, angekündigt. Bis 23. September 2024 wird das die Fortbildung: Völkerrecht für JournalistInnen (von Andreas Zumach) sein. Spread the message!
Weitere Details: https://medienverantwortung.de/2024/05/23/fortbildung-voelkerrecht-fuer-journalistinnen.
Videoaufzeichnung eines Vortrags von Sabine Schiffer im Eine-Welt-Haus München zum Thema „Propaganda machen (nicht) nur die anderen“: https://www.youtube.com/watch?v=j_qrNdmoYFM.