Medien und NATO + IMV News, IMV Newsletter April 2024

Medien und NATO + IMV News, IMV Newsletter April 2024

Liebe Interessierte,

die NATO, das Nordatlantische Vertragsbündnis, mag sich für das Bündnis halten, welches nach dem zweiten Weltkrieg als Garant für Frieden steht – so als wäre dafür nicht die UNO gegründet worden – faktisch gibt es Bedenken. Natürlich nicht von offizieller Seite, wo das Bündnis unter „Verteidigungsbündnis und Wertegemeinschaft“ oder als „Allianz für Sicherheit und Werte“ firmiert. An manchen Stellen der Websites von Bundesregierung bis Bundeszentrale (s.u.) scheint das Legitimationsproblem nach der Auflösung des Warschauer Paktes durch.

Und es gibt schlechte Erfahrungen, die in älteren Newslettern bereits erörtert wurden; etwa mit dem Hinweis auf die Doku „Es begann mit einer Lüge“ vom WDR 2001 (Der kürzlich bei der ARD noch auffindbare und auf X gepostete Text zur Sendung wurde zwischenzeitlich gelöscht!). Diese Lüge setzt sich als Mythos fort in einem aktuellen Kommentar in Springers Welt: „Die größte Verteidigungsallianz hat es geschafft, was im Gründungsjahr 1949 den meisten Beteiligten noch undenkbar erschien: alle Mitglieder vor einem Krieg zu schützen und damit Demokratie und Wohlstand zu sichern.“ Euphorisch beendet der Autor den Absatz mit „Danke Nato!“ Und die Rhein-Zeitung hat auch wesentliche Entwicklungen nicht mitgekriegt, wie der Auszug in der DLF-Presseschau offenbart

Der Eintrag bei der Bundeszentrale für politische Bildung mutet frisch überarbeitet an. Denn in der Tat ist die NATO heute ein „politisch-militärisches Bündnis“, das ganz aktiv Politik mitgestaltet. Die Frage ist, ob das seine Aufgabe ist als eigentlich exekutives Organ? Die Pressemitteilungen der NATO heißen demgemäß nicht nur „press release“ (so in der URL https://www.nato.int/cps/en/natohq/press_releases.htm), sondern auch „media advisories“ im Angebot der Google-Suche.

Die Jubiläumsfeierlichkeiten der NATO am 4. April 2024 bieten wieder eine gute Gelegenheit für Public Relations und die Anwendung der Soft-Power Techniken beim „Krieg um die Köpfe“, wie sie u.a. durch die Forschung von Jonas Tögel ans Licht kommen – und der naiven Darstellung wie z.B. der Rhein-Zeitung wiedersprechen (s.o.).

Die Politikerin Sevim Dagdelen nimmt in ihrem Buch „Die NATO – eine Abrechnung mit dem Wertebündnis“ u.a. Bezug auf Jonas Tögels Buch „Kognitive Kriegsführung“. Beide Schriften sehr lesenswert. Aber bei beiden fehlt ein ganz entscheidender NATO-Bezug da, wo es um den Anschluss an die Medien geht. Dieser sollte in einer zweiten Auflage ergänzt werden, denn die East StratCom Task Force, die den Blog EUvsDisinfo betreibt, ist eben nicht nur eine Stabsstelle der EU, genauer des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), sondern eben ein Joint Venture mit der NATO, wie es von Eric Bonse in Brüssel recherchiert wurde: https://medien-meinungen.de/2021/10/wie-eu-und-nato-gegen-desinformation-vorgehen. Die Konzeption der Stelle, die u.a. Journalistenbriefings abhält zur Aufklärung über „Desinformation“, erinnert auffällig stark an NATO- und weniger an EU-Kommissions-Strukturen (vgl. StratCom-Geschichte – allein die Namensgebung bereits).

Wie sehr die Kognitive Kriegsführung der NATO wirkt – das ist, wie gesagt, kein neues Phänomen und damit auch keine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine – lässt sich an einigen denkwürdigen Medienereignissen festmachen. Exemplarisch möchten wir auf die legendär gewordenen Interviews von Marietta Slomka (ZDF) verweisen, die 2011 und kürzlich wieder ganz im Sinne der NATO ihre Interviewten befragte und bedrängte: 2011 den damaligen Außenminister Guido Westerwelle, warum sich Deutschland denn nicht an dem Krieg in Libyen beteilige, am 15.03.2024 erneut im heute journal den stellvertr. SPD-Vorsitzenden Ralf Stegner, den sie zum Vorschlag eines Einfrierens des Ukrainekriegs in die Mangel nimmt (ca. ab Min. 7). Der Eindruck, dass ein Großteil unserer Medien Regierungspropaganda mache, muss an der Stelle überprüft werden, wo es sich eher um Fragen, Wordings und Framings im Sinne der NATO handelt. Nicht selten jedoch geht die Ausrichtung konform und es gibt angepasst an Streit(kräfte)fragen gar Medienformate: hier als Beispiel ein NDR-Podcast.

Wie es Uwe Krüger in seiner Doktorarbeit aufzeigte, gehören manche Journalisten direkt bestimmten Think Tanks an, ohne dies transparent zu machen. Manche machen dies transparent, wie zum Beispiel die Hörfunk-Journalistin Sabine Adler. Sie gehört dem Netzwerk „Women in International Security“ (WIIS) https://www.srf.ch/news/international/international-der-vergessene-krieg an, eine von Madeleine Albright aus den USA gegründete Organisation, die Frauen zum Thema Sicherheitspolitik stärken möchte. Wer den dort vertretenen Sicherheitsbegriff kennt, versteht so manche ihrer Einschätzungen zum Russland-Ukraine-Krieg besser.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man die unernst wirkenden NAFO-Hündchen (https://nafo-ofan.org/en-de) lustig finden, aber diese Social Media Accounts betreiben knallharte NATO-Propaganda – während Sie natürlich gegen russische Desinformation vorgehen wollen… Medien haben frei von eigener Recherche eher russische Bots auf dem Schirm als das Phänomen der NAFO-Fellas, das interessante Joint Ventures mit einigen Osteuropa-Wissenschaftlern eingeht: z.B. https://twitter.com/EFDavies/status/1700800877525659886.

IMV News

  • Sabine Schiffer hat den Diskurs um den Krieg in Gaza im Migazin analysiert: „Stopp OneSIDEism! Einseitige Solidaritätsbekundungen = Verrat am Menschenrecht“ Sicherheit für Israel wird es nur geben, wenn es diese auch für Palästina gibt. Schade, dass unsere Politik, unsere Medien und unsere Debatten es versäumen, Wege sichtbar zu machen.
  • Vorankündigung: Woche der Transparenz – Auch in diesem Jahr lädt das Institut für Medienverantwortung zur bundesweiten Transparenzwoche auf, wo Medien aufgefordert sind das Entstehen ihrer Beiträge sichtbar zu machen. Sie findet in der KW 18/19. vom 2. bis 10. Mai unter dem Hashtag #Medientransparenz statt. Die Pressemitteilung dazu wurde am 22.03.2024 versandt. Zeit genug zur Vorbereitung. Wir freuen uns über viel Beteiligung!
  • Vorankündigung Fortbildungen: Völkerrecht für JournalistInnen ab Herbst 2024 – Interessierte können sich über unsere info-Adresse melden! (Ein Presseausweis ist nicht erforderlich

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