Ungerechtigkeit und Ungleichheit machen unglücklich

Ungerechtigkeit und Ungleichheit machen unglücklich

Die bisherige Art, durch Wachstum materiellen Wohlstand zu erzeugen, verursacht von Jahr zu Jahr größer werdende Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Schichten. Der Soziologe Michael Hartmann beobachtet, dass die Vermögensverteilung gerade in Deutschland in den letzten Jahrzehnten rapide ungleicher geworden ist[1]

Zudem externalisiert diese Art des Wirtschaftens die Kosten, wie Stephan Lessenich, Leiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, feststellt: Die Schäden an der Umwelt werden nicht den industriellen Erzeugern und ihren Kunden in Rechnung gestellt.[2] Die Abfälle der westlichen Konsumgesellschaft enden auf den Halden armer Länder, wo sie die Umwelt verschmutzen und die Gesundheit der Menschen schädigen.  Produktion, die Menschen krank macht und die Umwelt verseucht, wird in sogenannte Entwicklungsländer ausgelagert. Unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen stellen Textilarbeiterinnen in Bangladesch oder die Arbeiter der indischen Chemieindustrie die Massenware her, die zu Discountpreisen die Regale westlicher Geschäfte füllt.

Der Zwang zum Wachstum erfordert beständige Ausdehnung.[3] Landarbeiter in Afrika oder Südamerika verlieren ihre Ernährungssouveränität und Existenz, wenn der Boden von Agrarkonzernen beansprucht wird. Ebenso schädlich sind die Einflüsse von Börsenspekulanten, die zur eigenen Profitmaximierung künstliche Verknappung und Preissteigerungen bei Lebensmitteln verursachen. Dann müssen Geringverdiener und Erwerbslose in den wohlhabenden Ländern einen noch höheren Teil ihres Einkommens für die Ernährung ausgeben und in Afrika werden Weizen oder Reis so teuer, dass viele hungern müssen. Foodwatch erforschte, wie die weltweite Produktion für Nahrungsmittel zur Gewinnsteigerung von Kapitalanlegern missbraucht wird. Der Wirtschaftsjournalist Harald Schumann hält diese Art von Geschäften für „verbrecherisch“.

Die kapitalistische Expansion erfolgt nicht nur materiell und territorial: Zu finanzierende psychosoziale Dienstleistungen ersetzen persönliche Beziehungen; je mehr das BIP in einer Gesellschaft wächst, desto mehr wächst auch die Einsamkeit – und desto mehr boomt die Psychotherapie; für das BIP wiederum ein Förderungsfaktor, weil desto mehr unentgeltliche zwischenmenschliche Beziehungen sich in finanzielle wandeln.


[1] vgl: Michael Hartmann: Gesellschaftliche Polarisierung, soziale Gerechtigkeit und die Eliten, in: Außerschulische Bildung, 45 (Heft 2), 11-17.

[2] Stephan Lessenich beschreibt die Folgen der westlichen Externalisierungsgesellschaft, die „wohlgemut auf Kosten anderer“ lebt und ökologische und soziale Probleme in ärmere Länder auslagert. Lessenich beobachtet, dass jene, die die Umwelt am meisten belasten, die Wohlhabenden, selbst am wenigsten geschädigt werden und umgekehrt jene, die die Umwelt kaum belasten, die Armen, am meisten unter den Folgen der Umweltzerstörung zu leiden haben. Dies gilt innergesellschaftlich und auch für das Verhältnis zwischen reichen und armen Ländern.

[3] Der Soziologe Klaus Dörre beschreibt die ökologisch-wirtschaftliche Zangenkrise des Kapitalismus: Wirtschaftliches Wachstum erhöht den Kohlendioxid-Ausstoß, der nur in Zeiten der Rezession zurückgeht. Andererseits ist im bestehenden Wirtschaftssystem Wachstum notwendig, um die sozialen Probleme zu lösen, solange sich das politische Establishment scheut, durch Umverteilung von oben nach unten für mehr soziale Gleichheit zu sorgen. Dörre warnt, dass der Kampf gegen die Klimaerwärmung scheitert, wenn die soziale Frage nicht gelöst wird. Heutzutage leben die Ärmeren wegen des erzwungenen Konsumverzichts klimagerecht, während der Luxuskonsum der Wohlhabenden weiterhin das Klima anheizt. Vgl.: Dörre, Klaus (2021): Kampf um Öffentlichkeit. Kapitalistische Landnahme und die Zerstörung von Vernunft. In: Nils S. Borchers, Selma Güney, Uwe Krüger und Kerem Schamberger (Hrsg.): Transformation der Medien – Medien der Transformation. Verhandlungen des Netzwerks Kritische Kommunikationswissenschaft. Frankfurt am Main: Westend. S. 103-127.

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