28.7.93: Hans-Georg Jakobson von Neonazis in Strausberg ermordet

28.7.93: Hans-Georg Jakobson von Neonazis in Strausberg ermordet

Die Umgebung der Strausberger S-Bahnstation galt Anfang der 90er Jahre als Treffpunkt der örtlichen, stark präsenten Neonazi-Szene. Der Betreiber der dortigen Fahrradaufbewahrung bekundete selbst rechtsradikale Ansichten. Er bewirtete Gleichgesinnte mit einem improvisierten Bierstand. Dort trafen sich am Abend des 28. Juli 1993 die jugendlichen Täter, drei Strausberger Auszubildende, unter ihnen R.B., der als Anführer der Gruppe in Erscheinung trat. Sie beschlossen um 23.30 Uhr, in die S-Bahn Richtung Petershagen zu steigen, um einen Fahrgast auszurauben. Eine solche Tat hatten sie bereits des öfteren verübt.

Im Waggon fanden sie nur den schlafenden Hans-Georg Jakobson vor, den sie zunächst vergeblich nach Geld und Wertsachen durchsuchten. Einer der Angreifer riss ihn dann vom Sitz und hockte sich auf ihn. Die Täter schlugen und traten ihr Opfer. Als Hans-Georg Jakobson sich zu wehren begann, zerrten sie ihn zur Tür (die offenbar, was aus den Berichten nicht hervorgeht, während der Fahrt geöffnet werden konnte). Der Verletzte versuchte sich noch, an einen Haltegriff festzuklammern, bis ein Tritt seine Hand traf und er aus dem Zug geworfen wurde, 750 Meter vor der nächsten Station in Petershagen.

Der Zugführer einer S-Bahn, die um 1.15 Uhr am Tatort unterwegs war, bemerkte den schwer Verletzten neben dem Gleisbett; er hielt an und sah nach Hans-Georg Jakobson, der sich noch bei Bewusstsein befand. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er bald an seinen inneren Verletzungen starb. Nach der Tat verließen die Drei den Zug an der Station Petershagen Nord. Sie bestiegen die nächste S-Bahn zurück nach Strausberg, um zu überprüfen, ob ihr Opfer noch lebte. In Strausberg angekommen raubten sie zwei junge Bundeswehrsoldaten aus, die von den Tätern mit einer Gaspistole bedroht wurden. Einer der Angreifer wurde später an einer Imbissbude von einem der ausgeraubten Männer wiedererkannt. Er informierte die Polizei. Zwei Tage nach ihren Überfällen wurden alle drei Verdächtige festgenommen.

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Im Januar 1994 begann die Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt a.d.O. Die Angeklagten zeigten vor Gericht keine Empathie mit ihrem toten Opfer, sondern stellten ihre rechtsradikale Gesinnung zur Schau. R.B. war zu Prozessbeginn mit 20 Jahren der älteste auf der Anklagebank. Er hatte schon 1992 in Neuenhagen bei Berlin zwei Chinesen aus rassistischen Gründen angegriffen und einen von ihnen lebensgefährlich verletzt. Als Anführer der Gruppe wurde R.B. wegen Mordes, schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt. Die jüngeren Mittäter erhielten jeweils sechs Jahre.

Die Staatsanwaltschaft begründete die Anklage mit der rechtsradikalen Einstellung, die zur Tat motivierte: „Das Opfer, das bereits seines ungepflegten Äußeren wegen in den Angeschuldigten nicht die Hoffnung wecken konnte, größere Mengen Bargeld bei sich zu tragen, wurde von ihnen wie ein lebensunwertes Subjekt bzw. wie eine Sache behandelt.“ Ein kriminalpsychologisches Gutachten stellte zu R.B. fest: “[…], Herr B. empfand es auf der psychodynamischen Ebene als wohltuend und entlastend, die Angst der Menschen auf der Straße zu spüren und im Verbund mit seinen Mittätern das Gefühl vermeintlicher Stärke und Macht zu erleben.“

Der Verein “Opferperspektive – Solidarisch gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt” kritisiert, dass das Gericht trotz der Ausführung des Staatsanwalts Hans-Georg Jakobson nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannte. Es ging stattdessen davon aus, dass die Täter aus Enttäuschung über die fehlende Beute die Situation bis zum Mord eskalierten, weil die bereits verübte Misshandlung für sie noch keine hinreichende Genugtuung dargestellt habe.

R.B.wurde nach vier Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen. Während seines Gefängnisaufenthalts hatte ihn eine rechtsextreme Hilfsorganisation unterstützt. Danach betätigte er sich weiter als Anführer in der rechtsradikalen Szene Brandenburgs. Er war an der Gründung einer Nazi-Kameradschaft beteiligt, die politisch links Gesinnte angriff; zudem betätigte er sich als Ordner auf entsprechenden Veranstaltungen.

Die Behörden versäumten es, die Angehörigen über die Tat zu informieren. Die Eltern des Opfers, das mit 35 Jahren ermordet worden war, bekundeten vor Gericht, dass sie erst im Dezember 1993 vom Tod ihres Sohnes erfahren hatten. Damals hatte das Jugendamt der früheren Lebensgefährtin des Toten mitgeteilt, dass sie nun für ihre beiden Kinder Halbwaisenrente beantragen könne. Hans-Georg Jakobson war der Vater dieser Kinder gewesen. Über das Leben Jakobsons ist der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Er war gelernter Bäcker, erwerbslos und wahrscheinlich wohnungslos.

Antifa-Gedenken in Strausberg: Hass auf Arme – taz.de

Sie gingen, ich blieb liegen – In Gedenken an Hans-Georg Jacobson und alle Todesopfer rechter Gewalt (horte-srb.de)

HANS-GEORG JAKOBSON – Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg (todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de)

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