Liebe Interessierte,
man will nicht unken, aber vielleicht sind die verstörenden Bilder von der Räumung eines Palästina-Protest-Camps (z.B. https://taz.de/Aktivistinnen-ueber-Krieg-in-Nahost/!5999528 und https://www.spiegel.de/politik/deutschland/berlin-polizei-raeumt-propalaestinensisches-protestcamp-a-40338703-1a49-4d5e-ae7c-5a0fde16e514) in Berlin ein Fanal für weitergehende Einschränkungen der Meinungs- und Redefreiheit. Während viele noch glauben, dass das bestimmte radikale Gruppen trifft, laufen bereits diverse Gesetzgebungsverfahren, die den offenen Diskurs bedrohen könnten. Was Vergleichbares an Universitäten in den USA läuft, lässt sich derzeit am besten via Democracy Now nachvollziehen.
Eric Bonse, freier EU-Korrespondent in Brüssel, hat für uns die Pläne der EU zum Thema analysiert. Über den IMV-Blog ist seine 12-seitige Aussicht auf die neue EU-Medienpolitik abrufbar: https://medien-meinungen.de/2024/04/big-brother-aus-bruessel. Hier geht es um die Grundfrage: Kontrollieren Medien die Politik oder umgekehrt? Nicht von ungefähr hat man vor dem Hintergrund der Geschichte in Deutschland auf Dezentralität und Selbstkontrolle gesetzt. Die Brisanz rund um Digital Services Act & Co. (DAS, DMA und EFMA) wurde von einigen Medien erkannt – aber sicher noch zu wenig:
https://www.deutschlandfunk.de/eu-mediengesetz-medienpolitik-verantwortung-kompetenz-100.html
Nicht vergessen also, wenn am 3. Mai der Tag der Pressefreiheit gefeiert wird!
Zum Thema Pressefreiheit gehört natürlich auch die andauernde illegale Internierung von Julian Assange (Aktionsübersicht), der als Publizist von Kriegsverbrechen ein wichtiges Symbol für Presse- und Meinungsfreiheit ist. Im Kampf um seine Freilassung ist es wichtig, ihn nicht zum Journalisten zu stilisieren. Auch wenn die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, Assange hat nicht umfassend journalistisch gearbeitet. Sollte man in die Lage kommen, dies vor den eh nicht seriös arbeitenden Gerichten nachweisen zu müssen, dann kann sich dieser Framing-Versuch als Bärendienst erweisen. Tatsächlich wird sich aber sein Präzedenzfall auf die Pressefreiheit auswirken, das scheinen einige noch nicht begriffen zu haben.
Auch in Deutschland gerät die Pressefreiheit unter Druck: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2023. RSF hat für den 3. Mai angekündigt, das aktuelle Ranking für die Bedrohung der Pressefreiheit vorzulegen. Erwartbar ist ein enormer Anstieg von physischen Angriffen auf Journalisten im Inland und von Journalistentötungen im Ausland, allein wenn man die Kriegsentwicklung in Gaza einbezieht: https://rsf.org/en/103-journalists-killed-150-days-gaza-tragedy-palestinian-journalism.
Die Problematik eines Dammbruchs hin zu physischer Gewalt gegenüber JournalistInnen darf jedoch nicht davon ablenken, dass die Signalwirkung in diese Richtung lange unterschätzt wurde – indem Hassbotschaften viel zu lange und zu wenig konsequent geahndet wurden. Entscheidend ist zudem, wenn von „oben“ klare Signale fehlen, dass – auch kritischer, unbequemer – Journalismus als Säule der Demokratie schutzwürdig und in jedem Fall zu verteidigen ist. Besonders diesen Aspekt hat Sabine Schiffer in einer KeyNote beim Verdi Medientag in Leipzig (DJU) am 20.04.2024 eingebracht.
Warum Medien als Säule der Demokratie ihren Job nicht ausfüllen und warum das für die Gesellschaft fatale Konsequenzen hat, schildert der Psychologie-Professor Dr. Rainer Mausfeld in seinem Vortrag „Demokratie und Abgrund?“, den wir dringend empfehlen. Seine Analyse zeigt, dass vieles nicht so ist und das schon viel länger, als man meinen könnte.
Unser Beitrag zum Thema ist es, auch in diesem Jahr wieder zur Beteiligung an der Woche der Transparenz aufzurufen. Die Pressemitteilung sowie das Logo dazu finden Sie auf dieser Seite: https://medienverantwortung.de/2024/03/22/woche-der-transparenz.
IMV News
Beginn der Woche der Transparenz
Ab heute, dem 2. Mai 2024, sind rund um den Tag der Pressefreiheit am 3. Mai für eine gute Woche alle Medien aufgefordert Ihren Beiträgen Infos zur Entstehung vorzuschalten und ihre Arbeitsweise und Recherchewege offen zu legen. Dieser Beitrag zur Transparenz dient der Medienbildung und ist geeignet Verschwörungsmythen den Nährboden zu entziehen. (PM und Logo Download) Der Hashtag der Tansparenzwoche lautet #Medientransparenz.
Der Termin für die erste Fortbildung: Völkerrecht für JournalistInnen steht: 23.09.2024, Beginn 18.30 Uhr. Für die 90-Min.-Online-Fortbildung konnten wir Andres Zumach, langjähriger UNO-Korrespondent in Genf, gewinnen. Er wird völkerrechtliche Expertise besonders zugeschnitten für den Bedarf in den Medien anbieten. Anmeldungen bitte an info [at ] medienverantwortung_de (auf diesen Newsletter können Sie nicht direkt antworten). Kostenbeitrag/Anmeldung: Nach Entrichten von 30,- Euro für Ihre Teilnahme erhalten Sie einen individuellen Zugangslink zum Online-Seminar.
Zum Inhalt: Völkerrecht für JournalistInnen (Fortbildung)
Es ist kompliziert und wird deshalb oft falsch interpretiert. In Berichterstattung und Kommentierung schleichen sich Fehler ein, weil Grundkenntnisse der komplexen Struktur des Völkerrechts als Basiswissen in Redaktionen zu fehlen scheinen.
Neben dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und dem Staatsvölkerrecht, nimmt das humanitäre Völkerrecht noch einen großen Teil der Rechtsgrundlagen ein. Je nach Sachverhalt greift das Staatsvölkerrecht oder aber das Selbstbestimmungsrecht der Völker – dies zu beurteilen, gilt es in einer Fortbildungseinheit für JournalistInnen zu vermitteln. Auch ohne ExpertIn für Völkerrecht werden zu müssen, sind die Basiskategorien von essentieller Wichtigkeit, um nicht der strategischen Kommunikation politischer Akteure aufzusitzen.