Liebe Interessierte,
ist Euch auch aufgefallen, dass wie nach einem umgelegten Schalter plötzlich Politiker und Medien ihr Herz für Palästinenser entdecken? Nach allen Regeln der Kunst entspricht das dem, was Hans-Mathias Kepplinger als Instrumentelle Aktualisierung beschreibt. Nicht, dass nicht weiterhin genug antipalästinensischer Rassismus im öffentlichen Diskurs zu finden wäre, aber dass nun sogar der Bundeskanzler kritische Töne gegenüber der israelischen Militärführung anstimmt, hat doch so manchen verwundert. Als der israelische Botschafter ganz milde mit der Zusage antwortete, im Falle eines so guten Freundes wie Deutschland würde man auf die Kritik hören (https://x.com/Ron_Prosor/status/1927295777304465569), schrillten bei kritischen Geistern die Alarmglocken.
Unsere #Medien, die in ihrer Mehrzahl ja schon lange nicht als #VierteGewalt, sondern als Sprachrohr zur Verlautbarung politischer Positionen fungieren, stimmten sämtlich ein in einen Diskurs, der vor einigen Wochen noch als antisemitisch diffamiert wurde. Die Medien frameten ihren Schwenk – wie immer in solchen Situationen – als ganz neue Erkenntnis durch ebenso neue furchtbare Bilder, die die kritischen Beobachter aus ausländischen Medien längst kennen. In Wahrheit hat sich an der Situation vor Ort nichts geändert in der letzten Zeit. Die Beschuss-, Vertreibungs- und Aushungerungs-Strategie in Gaza ist unerträglich, die inszenierte humanitäre Hilfe wurde als #AidWashing entlarvt, die Landnahme in der Westbank schreitet rasant voran. Was also ist passiert, dass nun plötzlich der Diskurswind dreht?
Wir können Euch dafür keine abschließende Antwort geben, sondern wären auch an Euren Gedanken interessiert (bitte an: info [at] medienverantwortung [dot] de). Dass plötzlich das Mitgefühl ausgebrochen ist, halten wir für unwahrscheinlich, weil die Propagandaforschung anderes lehrt und die EU- und UNO-Beschlüsse bzw. Vetos andere zeigen. Und tatsächlich hat ja keine Politikveränderung stattgefunden – auch hier ist nichts anders als vor einigen Wochen und Mondaten; die Bundesregierung „prüft“ weiterhin, ob mit deutschen Waffen Verbrechen begangen werden, während die Waffenlieferungen weiter gehen. Fabian Goldmann dokumentiert regelmäßig auf X.com, wie weit Rhetorik und Realität auseinander klaffen – hier z.B. am 1. Juni 2025: „Menschen, die Israel seit Merz‘ Kritik getötet hat: 451 Maßnahmen, die Merz seit seiner Kritik ergriffen hat, um das Morden zu beenden: 0“.
Ein zentraler Beitrag, der sich die Frage nach dem WHY – WARUM (now/jetzt) stellt: Al Jazeera English: “Too little, too late”: The sudden surge of genocide critique over Gaza | The Listening Post mit einem gar nicht ermutigenden Ausblick von Jeremy Scahill am Ende. Tatsächlich werden während der veränderten Rhetorik 22 neue Siedlungen in der Westbank genehmigt, nachdem alle Flüchtlingslager dort quasi geräumt wurden – wie es Sumaya Farhat-Naser am Rande eines Vortrags in Berlin schilderte. Auch Basel Adra und Yuval Abraham, die Macher des Dokumentarfilms #NoOtherLand, berichten von der Zerstörung weiterer Dörfer in Musafer Yatta, sowie dem Abweisen internationaler Journalisten durch die israelische Armee: https://www.theguardian.com/world/2025/jun/03/masked-israeli-troops-block-media-visit-to-west-bank-site-of-oscar-winning-film-no-other-land. Das #Landgrabbing könnte kurz vor dem Abschluss stehen, wovon der Diskurs-Shift gar ablenken würde.
Das gesamte Medienversagen in Deutschland hat Fabian Goldman auf seinem Blog https://www.schantall-und-scharia.de dokumentiert, auf der re:publica in Berlin hat die Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura in ihrem Vortrag den Medien ein vernichtendes Urteil ausgestellt mit dem übergreifenden Hinweis: „Ein Medienproblem ist auch immer ein Demokratieproblem“. Und zur re:publica hätten wir auch einen Beitrag im Angebot gehabt: Algorithmus und Vorurteil, das Demokratieproblem der Zukunft.
Während eine neue Gaza Freedom Flotilla auf die Situation der bedrohten Menschen im abgeriegelten Gaza aufmerksam machen will, werden die Aktivisten um Greta Thunberg nach allen Regeln der Propaganda-Kunst diffamiert und verbal zum Beschuss frei gegeben, wie die Gazaner auch – alles online live wahrnehmbar.
IMV News
Die aufgezeichnete Jubiläumskonferenz ist nun online und in Einzelbeiträgen abrufbar: https://youtube.com/playlist?list=PLSHgj19AlAfDXBQjLhwFIrZY8GnVRLjyS
Wir bedanken uns bei mohio für die Unterstützung an dieser Stelle.
Zum Thema #Medienbildung zwei Artikel von Sabine Schiffer:
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/warum-wir-ein-schulfach-medienbildung-brauchen-li.2309618
https://medien-meinungen.de/2025/06/algorithmus-und-vorurteil
Die eigens für die Virtuelle Lehrplankommission eingerichtete eMail-Adresse: medienbildung [at] medienverantwortung [dot] de darf noch mehr Verbreitung finden. Wir beschränken uns derzeit darauf, alle Themen zu sammeln, die in einem #Schulfach #Medienbildung behandelt werden müssen.
Da die Konferenz ein ansehnliches Loch in unsere Kasse gerissen hat, freuen wir uns auch über jedwede Art der Unterstützung und bedanken uns herzlich bei den bisherigen Spendern: www.medienverantwortung-foerderkreis.de.
IMV Termine
6.-9.-06.25 Pfingsttagung im Koster Ohrbeck
https://www.haus-ohrbeck.de/programm/unsere-seminare/details/35-christlich-islamische-tagung-am-pfingstfest-1
11.06.25 Online Krieg in „Nahost“ https://www.friedenskooperative.de/termine/online-krieg-in-westasien-voelkermord-in-gaza-wachen-politik
26.06.25 Goethe-Uni FFM https://x.com/IMVErlangen/status/1928378009087598610
27.06.25 Erlangen-Buckenhof …
weitere Termine: https://medienverantwortung.de/2025/01/01/termine-2025