DIW-Analyse: Arme Rentenversicherte sterben früher als wohlhabende

DIW-Analyse: Arme Rentenversicherte sterben früher als wohlhabende

DIW-Analyse: Arme Rentenversicherte sterben früher als wohlhabende

Ist das Äquivalenzprinzip der deutschen Rentenversicherung gerecht? Es besagt, dass wer mehr eingezahlt hat, eine proportional höhere Rente erhalten soll. Doch eine Datenanalyse der Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Johannes Geyer, Peter Haan und Julie Tréguier, stellt das Prinzip infrage: Geringverdienende Rentenversicherte sterben deutlich früher und subventionieren somit die gutverdienenden, die deutlich länger Rente beziehen.

Die allgemeine Lebenserwartung steigt kontinuierlich an; jährlich um etwa 0,1 Jahre; derzeit beträgt sie in Deutschland für Frauen 83,2 Jahre und für Männer 78,3 Jahre. Doch sozioökonomisch betrachtet bestehen zwischen verschiedenen Einkommensgruppen deutliche Unterschiede.

Die Forscher nutzten Daten des Sozioökonomischen Panels zwischen 1984 und 2021. Als Stichprobe wählten sie Rentenversicherte zwischen 55 und 76 Jahren. Dabei ermittelten sie den Zusammenhang zwischen Einkommen, Bildung und Sterbewahrscheinlichkeit nach Geschlechtern getrennt. Ihre Studie erweckt allerdings den Eindruck, dass geringe Bildung stets mit Armut und hohe Bildung stets mit Wohlstand einhergeht, diese Gleichsetzung wird in ihren Ausführungen nicht weiter problematisiert.

Betrachtet man individuelle Einkommen, dann ist bei Männern der Zusammenhang zwischen Einkommen und Sterberisiko offensichtlich: Im ärmsten Einkommensquintil beträgt die Sterbewahrscheinlichkeit in der genannten Altersgruppe etwa 21 Prozent, beim reichsten Quintil nur 11 Prozent. Bei Frauen zeigt sich diese Tendenz bei individuellen Einkommen nicht, dort liegt die Sterberate in allen Quintilen etwa gleichmäßig knapp unter 10 Prozent.

Die Autoren weisen darauf hin, dass traditionell viele Frauen Erwerbsbiographien aufweisen, die durch Erziehungs- und Pflegezeiten unterbrochen sind. Ein anderes Ergebnis erhielten sie, wenn sie nicht nur die individuellen Einkommen der Frauen, sondern das gesamte Haushaltseinkommen zugrunde legten. Dann zeigt sich, dass in wohlhabenderen Haushalten Frauen länger leben als in Haushalten mit geringem Einkommen. Im untersten Quintil der Haushaltseinkommen beträgt die Sterberate etwa 11 Prozent und es fällt bis auf etwa 7 Prozent im obersten Quintil ab.

Kaum überraschend sind Wohlhabendere psychisch und physisch gesünder als Ärmere. Menschen mit besseren Einkommen üben weniger belastende Berufe aus, können sich ein gesünderes Leben leisten und genießen die Privilegien einer privaten Krankenversicherung. Geringverdienern bleibt nur die medizinische Versorgung in der gesetzlichen Krankenkasse, die höhere Gebühren berechnen muss, weil sich Besserverdienende ab 69.300 Euro Jahresbruttoeinkommen der Kassenpflicht entziehen können.

Johannes Geyer meint zu den Ergebnissen:

“Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung führt dazu, dass Menschen mit niedrigen Einkommen von ihrem Einkommen relativ viel in die Rente einzahlen, aber wenig rausbekommen. Bei den Reichen ist es umgekehrt. Wir haben bei der Rente sozusagen eine Umverteilung von unten nach oben.“

Und die Autoren folgern:

“Die Ergebnisse können aber dazu dienen die Diskussion über die Einhaltung des Äquivalenzprinzips besser zu fundieren. Denn häufig wird mit dem Äquivalenzprinzip gegen Umverteilungsmaßnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung argumentiert. Bezieht man die hier vorgestellten Zusammenhänge zwischen Einkommen und Lebenserwartung ein, relativieren sich diese Einwände. Argumente gegen die Aufwertung geringer Rentenanwartschaften, um Altersarmut zu bekämpfen oder Lebensleistungen anzuerkennen, sind somit wenig überzeugend.”

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