Liebe Interessierte,
die Zeiten, dass Journalisten bzw. Redaktionen darüber bestimmten, was das Medienpublikum an Informationen erreicht, sind vorbei – jedenfalls in dieser Absolutheit. Die von Walter Lippmann eingeführte Bezeichnung „gatekeeper“ unterliegt derzeit einem enormen Bedeutungswandel. Zur Geschichte des Gatekeeping bzw. der Gatekeeping-Forschung: https://journalistikon.de/gatekeeping. Wurde es zunächst gefeiert, dass das Internet das Gatekeeping aus der Hand einflussreicher Medien nahm, so zeichnen sich heute neue Gatekeeper ab: die großen Internetplattformanbieter und ihre Algorithmen.
Allen voran Google, aber Amazon und Meta stehen in nichts nach und sind deshalb zurecht in den Fokus von Regulierungsbemühungen geraten – etwa der EU beispielsweise im Digital Markets Act. Aber können politische Einflussnahme das Dilemma lösen, das sich hier aufgebaut hat? Medienfreiheit ist natürlich die Freiheit großer Internetkonzerne über die Zuweisung von Aufmerksamkeit zu entscheiden, aber eben auch nicht im Interesse von Machtinstitutionen, die freie Medien ja kontrollieren sollten.
Und so unterwerfen sich auch die öffentlich-rechtlichen Medien der Algorithmus-Logik, wie kürzlich und erneut eine lesenswerte Untersuchung der Otto-Brenner-Stiftung nachwies: https://www.otto-brenner-stiftung.de/journalismus-in-sozialen-netzwerken. Der Studienmacher Henning Eichler spricht im DLF-Interview von „Plattformisierung“ der Kommunikation. Einerseits will man Präsenz dort zeigen, wo die nächste Generation ihre Nachrichten konsumiert, andererseits verschieben sich die Darstellungsweisen weg von der inhaltlichen Relevanz hin zum Clickbait. Das Thema ist wahrlich nicht neu. Bereits 2011 problematisierte Henrik Wulff experimentell die Entwicklung: https://imusic.br.com/books/9783639361261/hendrik-wulff-2011-google-als-gatekeeper-im-internet-ein-framing-experiment-zur-bewertung-von-suchmaschinen-ergebnissen-in-abhangigkeit-der-gewahlten-suchmaschine-paperback-book.
Googles Strategien sind aber umfassender, als die rein technische Komponente – ein systemisches Mäzenatentum gehört auch zum Gesamtkonzept der Ausweitung der Einflusssphäre: https://netzpolitik.org/2022/der-medienmaezen-diese-schlagzeile-ist-fuer-google-optimiert. Protest gegen die Kooperation des Deutschen Journalistenverbands mit Google & Co. war eine der Motivationen des Journalisten Peter Welchering, dem Verband den Rücken zu kehren: https://www.welchering.de/2019/07/13/djv-austritt-aus-protest. Soviel Rückgrat ist derzeit nirgends sonst in Sicht.
IMV News
Zur gefährlichen Tendenz, dass sich Medien in „Gute“ und „Böse“ einteilen lassen, hat Sabine Schiffer einen gutachtenden Kommentar zur sogenannten „Gegneranalyse“ verfasst bzw. einer ersten „Studie“ mit Diffamierungscharakter und ohne Gütekriterien: https://medien-meinungen.de/2022/06/die-willkommene-botschaft.
Ein langes Interview mit dem Kommunikations- und Propagandaforscher Jörg Becker aus Solingen wurde in drei Teilen auf Telepolis veröffentlicht:
https://www.heise.de/tp/features/Reicht-denn-das-Leid-der-Menschen-nicht-aus-7153460.html
https://www.heise.de/tp/features/Unseren-Medien-geht-der-Atem-aus-7153957.html
Und die kleine Diskursbeobachtung hier belegt WeiterSo-Momente in der Klimapolitik, jenseits aller Rhetorik vom Anpacken.
Wir sind dabei JP Berlin Mailingslisten einzurichten, um unsere Informationsservices wieder zu verbessern. Darüber können wir dann unregelmäßig Infos über Medienbildung u.a. verschicken. Der monatliche Newsletterversand soll direkt über unsere Website erfolgen. Da sich die Umstellung aus diversen Gründen hinzieht, hier nur eine kleine Zwischeninfo – wir sind dran.