Liebe Interessierte, |
das Buch von Lutz Mükke ist nicht mehr ganz neu, aber hochaktuell: Korrespondenten im kalten Krieg (hier eine Besprechung). Es erlebt gewissermaßen eine Wiederauflage in der Realität. Staatssender aus Russland, China und von Islamisten stehen nun auf der Liste der „Feindsender“ in Deutschland und der EU – mindestens. Dass es hier um Interessenkonflikte und die Fragen nach den Freiheiten und Grenzen des Journalismus geht, ist klar und wichtig. Natürlich geht es auch um Machtkämpfe und Einflusssphären – und genau diese wollen wir im Newsletter ausleuchten. Wie bewährt, wollen wir uns lieber an die eigene Nase fassen, um zu prüfen, ob die hehre Forderung nach Meinungs- und Pressefreiheit, wie sie Außenminister Maas gerne in Moskau und Peking (in Saudi-Arabien nur folgenlos) vorträgt, hier im rechtsstaatlichen Westen unumwunden gilt. Obwohl im Interview des Deutschlandfunk der Vertreter für strategische Kommunikation der EU, Lutz Güllner, gefragt wird, ob es sich bei der East-StratCom der EU nicht einfach um GegenPROPAGANDA handele, fehlt eine entscheidende Frage bzw. Aufklärung in dem Gespräch – dazu weiter unten mehr. Zunächst zum Gegenstand der strategischen Kommunikation der EU: Weit davon entfernt, die inkriminierten „Auslands- und Propagandasender“ von jedem Verdacht freizusprechen, möchten wir auf die Problematik verweisen, die entsteht, wenn man weisungsgemäß Journalisten in „gute“ und „genehme“ versus „schlechte“ und „böse“ einteilt bzw. ihren abspricht, als Journalisten zu agieren, weil sie nicht die gleiche Meinung teilen, wie man selbst. Wenn, wie beispielsweise der Deutsche Journalisten Verband DJV in die undifferenzierte Kampagne gegen Kollegen mit der Übernahme von Freund- und Feindbildern eintritt, dann liefert das in Folge denjenigen Wasser auf die Mühlen, die jeglichen kritischen Journalismus ins Visier nehmen und mit den eingeübten Argumenten bekämpfen. Die Geschichte verweist auf die Aussichten. Deshalb die Warnung! Zumal, wo ist die Grenze zwischen den „echten“ und den „unechten“ Journalisten? Auch die Mitarbeiter der Deutschen Welle werden vom Staat bezahlt. Und die Netzwerk-Journalisten, die der Medienwissenschaftler Uwe Krüger in seiner Doktorarbeit „Meinungsmacht“ (vgl. Darstellung in der ZDF-Anstalt) ermittelt hat und die teilweise die Reden für die Politiker auf der Münchner Sicherheitskonferenz schreiben, über die sie dann „berichten“, dürften durchaus mehr am Aktivismus als am Journalismus orientiert sein. Auch das (gezielte) Weglassen hat zuweilen aktivistischen Charakter, etwa wenn etwas verschwiegen wird, das so garnicht ins gepflegte Weltbild passen mag. Dazu gehört sicher die Erklärung renommierter internationaler Diplomaten und Persönlichkeiten gegen einen offensichtlich manipulierten OPCW-Bericht zu Giftgas in Syrien – hier vertreten durch die BerlinGroup21. Ein Interview mit einem der Unterzeichner, dem ehemaligen UN-Inspekteur Hans von Sponeck brachten kürzlich die NachDenkSeiten. Im englischsprachigen Ausland gibt es durchaus Resonanz auf die „Statement of Concern“-Kampagne. Die Initiative Nachrichtenaufklärung INA hat soeben, wie jedes Jahr, die auffälligsten 10 verschwiegenen Nachrichten veröffentlicht – darunter gehört auch das Manöver „Defender 2020“; ein anti-russisches NATO-Manöver, das im Kontext von Desinformationsvorwürfen gen Osten durchaus Beachtung verdient: www.deutschlandfunk.de. Ob in der Nähe zwischen Journalismus, Politik und PR, welche die EastStratcom atmet, eine mögliche Erklärung dafür liegt, warum unsere Medien so Regierungs- und auch NATO-freundlich berichten und kommentieren, wäre genauer zu prüfen. Es handelt sich bei der Zusammenschau aus so mancher Verfehlung auf der einen und Betonung auf der anderen Seite jedenfalls um das genaue Gegenteil dessen, was man Medien als idealtypische Aufgabe zuschreibt – die einer Vierten Gewalt. Tatsächlich wird in den Medien gerne das „Zwei-Prozent-Ziel“ eingefordert, statt den Euphemismus durch die korrekte Bezeichnung „Aufrüstung“ zu ersetzen. Diese Perspektiv-Übernahme der NATO wird auf EU-Ebene weniger dem Zufall überlassen, als man meinen könnte. Und hier entlarvt sich die Heuchelei um den Kampf gegen Desinformation aus dem Osten. Denn das EU Parlament hat einen Kooperationspartner im „Kampf gegen die Desinformation“ der anderen – und genau diese Frage fehlte in besagtem DLF-Interview mit Lutz Güllner. Im letzten Absatz der Pressemitteilung vom 23.11.2016 heißt es dazu gaaanz weit unten: „Die Entschließung spricht sich auch für die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen EU und Nato bei der strategischen Kommunikation aus, wobei die neunköpfige „Task Force für strategische Kommunikation“ der EU sowie die Belastbarkeit von Medien in den Nachbarländern verstärkt werden sollte.“ (sic!) „Strategische Kommunikation“ bedeutet PR, Public Relations oder historisch (politische) Propaganda, und man geniert sich nicht die entsprechende und besagte StratCom zu gründen. Ja, die Ähnlichkeit zu den US-amerikanischen Kürzeln StratCom und StratFor ist auffällig. In Deutschland wird die East-StratCom durch den FDP-Außenpolitiker Graf Lambsdorff mit der als anti-Desinformationskampagne getarnte Desinformationskampagne: www.deutschlandfunk.de vertreten. Womit er dabei recht hat: „… es falle vielen Menschen schwer, Meinung von Nachricht, von Werbung und von Desinformation zu unterscheiden.“ Während die Propaganda aus Großbritannien meistens eigene Namensgebungen pflegt, wie beispielsweise „Integrity Initiative“ www.heise.de/tp/features/Integrity-Initiative-taucht-ab-4286004.html, die eine Kooperation mit Thomson Reuters einging „gegen russische Desinformation“, oder ARK mit dem britischen MI6, die nachweislich für antisyrische Propaganda verantwortlich zeichnen und kürzlich durch Leaks als Geheimdienstprojekt hinter den sogenannten Weißhelmen https://thegrayzone.com/2020/09/23/syria-leaks-uk-contractors-opposition-media/ aufflogen. Verständlich, warum man in Großbritannien etwas gegen Whistleblower hat, was eventuell einen Teil der Erklärung dafür liefert, dass der Wikileaks-Gründer Julian Assange dort rechtswidrig im Gefängnis gehalten wird – andere Erklärungen dafür fasst der Nahost-Experte Michael Lüders in diesem Video-Statement umfassend zusammen: www.youtube.com/watch?v=UO7UyICn7ig. Einige der erwähnten Stimmen, finden sich zum Nachlesen und eine eigene Meinung bilden, hier: www.spiegel.de/politik/deutschland/rt-deutsch-so-paktiert-putins-propagandasender-mit-linkspartei-und-afd-a-e4884aed-0002-0001-0000-000175912889 www.djv.de/startseite/service/blogs-und-intranet/djv-blog/detail/news-opferinszenierung www.deutschlandfunk.de/debatte-nach-sz-artikel-wurde-die-bundespressekonferenz.2907.de.html?dram:article_id=493047 www.nachdenkseiten.de/?p=59493ww.freitag.de/autoren/ulrich-heyden/rt-deutsch-ohne-konto www.heise.de/tp/features/Kalter-Medienkrieg-zwischen-Berlin-und-Moskau-droht-zu-eskalieren-5989734.html … man achte hier besonders auf den Schluss. Vielleicht hat es sogar etwas mit den StratCom-Empfehlungen zu tun, dass kürzlich einige reichweitenstarke „alternative Medien“ von den Landesmedienanstalten Post mit einem „Hinweis“ erhielten, dass ihre Corona-Berichterstattung “besser belegt werden müsse“. (Hier ein Interview dazu mit der Leiterin der MABB). Vielleicht! Hier sind wir arg spekulativ unterwegs, wollen aber zu weiteren Recherchen anregen. Wie Telepolis recherchiert hat, gab es zum Thema Corona-Berichterstattung tatsächlich Einlassungen von StratCom: www.heise.de. Leider war es uns aufgrund von zu wenig Auskunftsfreude – sowohl der Landesmedienanstalten, als auch einiger angeschriebener Portalbetreiber – nicht möglich, dieser Frage weiter nachzugehen. Hier wäre natürlich die Argumentation „russische Desinformation“ unsinnig, denn in Russland wird ebenfalls eine Impfstrategie verfolgt. Eventuell findet man hier mehr dazu: https://euvsdisinfo.eu/category/blog/coronavirus. Bezüglich der Intervention der Landesmedienanstalten tun sich neue Fragen auf, die sich auf die wichtige Änderung des Medienstaatsvertrages vom 07.11.2020 beziehen. In Abschnitt 2, Unterabschnitt „Telemedien“ unter §19 wird als „Sorgfaltspflicht“ www.gesetze-bayern.de/Content/Document/MStV-19 wir die neue, pro-aktive Interventionsmöglichkeit für die Anstalten formuliert: Diese dürfen bzw. sollen dann aktiv werden, wenn Inhalte nicht korrekt und nicht belegt sind und/oder Selbstkontrollorgane etwaige Verstöße nicht ausreichend verfolgen (können). Eigentlich würde die Aufnahme in eines der bestehenden Selbstkontrollorgane, um das man sich bemühen kann, eine solche Kontrolle verhindern; aber der neue Vertragstext hält hier ein Schlupfloch in der Fußnote offen. Wir werden beobachten können, wie sich die Praxis anhand der hier formulierten Möglichkeiten entwickelt. Inwiefern das mit der im Grundgesetz verbrieften Presse- und Meinungsfreiheit vereinbar ist, wird vermutlich in Zukunft zur Prüfung anstehen. Denn interessant wären natürlich auch die Kriterien, nach denen an- bzw. abzumahnende Online-Portale ausgewählt werden – und welche, trotz vergleichbarer Fehler und Reichweite, nicht. Wir freuen uns, wenn jemand die Recherche aufnimmt! IMV News Zum Thema „Information oder Propaganda?“ lud kürzlich rbb-Info ins Studio. Hier geht es zur Sendung, an der auch Sabine Schiffer teilnahm: www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/forum/202103/21/531282.html. |