Liebe Interessierte,
man kommt garnicht mehr hinterher, um sich nicht von wohlklingenden Euphemismen wie „Mitverantwortung“, „Teilhabe“, Fähigkeiten“, „freier Handel“ etc. in die vermeintliche Kriegstüchtigkeit treiben zu lassen. Nun wird, nachdem die „Verteidigung“ unserer Freiheit am Hindukusch eingestellt wurde, diese im Pazifik beschifft. Im örr-Deutschlandfunk kommen mit Interviews von Walter Borjans bis Norbert Röttgen verschiedene politische Stimmen zur Militarisierung zu Wort – aber die Militarisierung als Thema ist da und ihre Notwendigkeit scheint kaum noch in Frage zu stehen. Vorgelegt hat vor Jahren bereits der Spiegel.
Die Kategorie des Embedded Journalism spielt auch hier eine wichtige Rolle. Wie bei Razzien und in Kriegs- und Krisengebieten, stellt sich die begleitete wie die begleitende Berichterstattung als PR-Instrument heraus. So interviewt beispielsweise Korrespondent Steffen Wurzel Bundesminister Pistorius auf der gemeinsamen Reise ins neue Aufmarschgebiet – also neu natürlich nur für die Fregatten der Bundeswehr, unzählig viele US-Basen zeugen bereits von langjähriger Militärpräsenz rund um China – nach Hawai über Korea und weiter.
Die Sondersendung „Lange Nacht der Bundeswehr“ im DLF Kultur wirkt auch eher wie eine Werbesendung zur Imagepflege: https://www.deutschlandfunkkultur.de/bundeswehr-132.html. Zwischen Anlässen und Gründen wird nicht mehr unterschieden – da bildet Deutschlandradio keine Ausnahme. Das Intro-Framing klingt entsprechend: Putins Angriff auf die Ukraine sei ein Turning Point, was die langjährigen Strategien von militärischer Seite überblendet: https://www.telepolis.de/features/Endgueltig-zurueck-im-Kalten-Krieg-9800417.html. Dies decken auch die Analysen von Jonas Tögel auf, der die NATO-Strategiepapiere der letzten 20 Jahre ausgewertet hat, sowie Stellungnahmen des Darmstädter Signals; aber auch einige wenige Medien. Insofern ist das hier gewählte Beispiel von DRadio ein Hinweis für die Politkhörigkeit gerade im ÖRR, wo man ja aufgrund des von uns allen finanzierten Rundfunkbeitrags und der Festlegung des Programmauftrags in Staatsverträgen mehr Unabhängigkeit erwarten könnte.
Während also Military-Lifestyle Einstimmungssendungen à la „Lange Nacht der Bundeswehr“ vom Jackett Joschka Fischers im Militärmuseum schwadronieren, auf dem noch die Spuren des Farbbeutel-Protests gegen den neuen Kriegskurs in den 1990er Jahren zu sehen sind, glauben manche tatsächlich, dass sich die Grünen erst seit 2022 in eine kriegsbefürwortende Partei gewandelt haben. Das ausgesessene Massaker an den Bosniern in den frühen 1990er Jahren wird übergangen, aber schließlich diskursiv genutzt, um den Einfall in den Kosovo 1999 zu rechtfertigen. Die Aufklärung des WDR über die Kriegslügen eines Rudolf Scharping kommen nicht vor. Kronzeugen für mehr Krieg sind altbewährt Herfried Münkler und Ralf Fücks – sein regierungsnaher ThinkTank Liberale Moderne bleibt uneingeordnet – in der Rolle des geläuterten Linken.
Diese Sendung ist eine Art Prototyp, die in ähnlicher Form – mit und ohne Bundeswehr – für Kriegsbereitschaft wirbt, um unsere „Werte“ zu „verteidigen“.
Die Umwidmung der Widerstandsgedenken zum 20. Juli in Richtung Vereidigung neuer Soldaten, wie auch die Hintergrund-Bilder von Militärmaterial im Studio in den Hauptnachrichtensendungen – die Nostalgiker noch an US-Spielfilme aus vergangenen Zeiten erinnern mögen – tragen zur Gewöhnung bei. So auch die nachhaltige Umdeutung der Friedenspreise in Plädoyers für mehr Krieg: https://www.nachdenkseiten.de/?p=118746.
Insgesamt scheint es ein Prinzip zu sein, Vertreter der Friedensbewegung erst während eines kriegerischen Konflikts zu befragen und die Prävention als Thema vollkommen auszuschließen. Das schafft ein Framing von „weltvergessen“ und „unrealistisch“, während die Kriegspolitik ja nun wahrlich keine Erfolge zu verzeichnen hat. Das kontinuierliche Ausblenden der Friedensbewegung wird von einigen Medienvertretern damit verwechselt, dass es sie nicht gäbe oder sie nicht aktiv wäre. Hier fehlts an Recherche, die mindestens mal zum zentralen Jahres- und Planungstreffen in Kassel – Friedensratschlag – hätte führen sollen: https://friedensratschlag.de. Die letzten drei Stellungnahmen stammen vom 27. und 29.07. sowie 01.08. Und an vielen Orten wird von den verschiedenen Organisationen der Friedensbewegung zum Gedenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki aufgerufen: https://www.friedenskooperative.de/hiroshimatag2024.
Ein Journalist, der die Friedenspflicht im Journalismus noch auf dem Schirm hat, ist Ole Nymoen, der mit einer kritischen Stellungnahme in der ZEIT seine Ablehnung des neuen Warrior-Heldentums zum Ausdruck bringt. Angesichts des medialen Dauerfeuers in Richtung Notwendigkeit, macht sich so ein Beitrag radikal und revolutionär aus. Verbales Dauerfeuer erhält er seitdem, aber auch Zuspruch. Das Land ist gespalten – und daran wird gearbeitet, denn das ist Voraussetzung für den Infokrieg, der dem realen Krieg vorausgeht und ihn begleitet. Die Wahrheit stirbt lange vor dem Krieg.
„Wir befinden uns im Jahr 25 der neuen Weltkriegsordnung“, sagt Sabine Schiffer in ihrem Vortrag bei der IPPNW.
IMV News
Unsere Pressemitteilung zur Fortbildung „Völkerrecht für JournalistInnen“ ging letzte Woche raus. Es sind noch Plätze frei für das Webinar mit Andreas Zumacht, langjähriger UNO-Korrespondent. Wieviel Nachholbedarf es in Sachen Völkerrecht im Journalismus gibt, zeigte kürzlich die Überraschung, die ein Gutachten zur Völkerrechtswidrigkeit israelischer Besatzung ausgelöst hat.
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Auf www.generationmedien.de bloggen wir jetzt die Essentials des Buchs „Bildung und Medien“ von Sabine Schiffer, damit sie einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen – denn in Sachen Schulfach Medienbildung arbeiten die Lobbygelder der IT-Branche immer weiter und nachdrücklich in Richtung Zuschnitt und damit Reduktion aufs Digitale. Dabei ist Medienbildung viel viel mehr.